Erstmal ein riesen sorry an dieser Stelle für die nun doch echt lange Wartezeit auf diesen Beitrag. Irgendwie waren die letzten Wochen deutlich turbulenter, als Gedacht. Die ersten kleinen Ausflüge, viele Grillevents auf Balkonien und ihr kennt das ja, ein bisschen Chaos hier, ein bisschen Chaos da… 🙂 So wie das in meinem Leben immer ist. Jetzt zurück zum wesentlichen und viel Spaß beim lesen!

Puh, ich habe echt lange überlegt wann ich diesen Beitrag schreibe und was denn dann auch alles rein kommt. Was euch interessiert, ob und wann es zu privat ist… Diesmal wird es ein bisschen persönlicher, als in den letzten Beiträgen. Das gute für euch? Es gibt mehr Bilder.

Ich bin mir auch immer noch nicht ganz sicher, ob das alles in einen Blog gehört. Das gute hieran? Es ist meiner und ich kann schreiben worüber ich möchte. Letztendlich geht es ja irgendwie darum, wie ich zu all den Reisen und der ganzen bunten Haut kam. Dazu trägt dieser Beitrag mit am meisten bei. Gegen Ende meines Studiums in Köln fand der Absolventenball mit meinen Kommilitonen statt. Der Tag war für mich wirklich richtig wichtig. Ich dachte bis dahin noch, ich würde die Uni zu Ende machen… Allerdings geriet ich Abends mit meinem Vater in Streit. Das passiert äußerst selten und ich war sehr geknickt. Kurz vorher hatte ich die Beziehung zu einem leicht handgreiflichen jungen Mann beendet und wie soll ich sagen? Ich bin tatsächlich ein recht temperamentvoller und impulsiver Mensch mit einem familiär geerbten Dickkopf erster Sahne. Diese Kombi ist Klasse 😉 Fazit, ich habe mich kurzerhand entschlossen meine Uni hinzuwerfen (3 Klausuren vor Ende), hab meine Wohnung gekündigt, sowie auch meinen Job bei der DEVK. Kurze Zeit später hab ich dann meinen Rucksack gepackt und bin ab nach Thailand. Ja, mir ist inzwischen absolut bewusst – es war sicher weder die cleverste, noch die überlegteste Entscheidung meines Lebens. Bereuen tue ich sie allerdings nicht. Mein Leben wäre keinesfalls dasselbe, ohne diese Entscheidung.

Ein paar Gegenstände in das Gartenhaus von Papa und ein paar Klamotten in meinem ehemaligen Kinderzimmer zwischengelagert, ging es keine 14 Tage später auch schon los. Über das Netz hatte ich herausgefunden, dass es in Bangkok eine Tattoo Schule gab und diese war deutlich günstiger als sämtliche Angebote in den UK. Schließlich wollte ich das tätowieren ja auch richtig lernen. Nicht einfach nur im Keller irgendwo mit der billigsten Maschine von eBay Kleinanzeigen auf den Armen von Bekannten rumhacken. Also habe ich meinen Rucksack gepackt, 13kg für eine bis dahin unbestimmte Zeit. Aber was braucht man denn auch schon bei tropischen Temperaturen? So gut wie nix. Ab zum Flughafen -> erster stop Hanoi, Vietnam. Spannend! Ich landete mitten in der Nacht. Der Flughafen war Menschenleer, aber die Auslage der Souvenir Shops einzusehen. Es gab zum Beispiel ausgestopfte Baby Krokodile. Ich war völlig aus dem Häuschen. Verrückt, andere Länder, andere Sitten. Wer stellt sich denn auch schon sowas ins Haus? Bin bis heute nicht dahinter gekommen, was es damit auf sich hat. Ob die für religiöse oder okkulte Zwecke dienen? Oder doch nur zur Zierde? Wer weiss.

Ein paar Stunden später ging es weiter nach Bangkok. Es war schon eine Mischung aus „es wir bestimmt super cool“ und ein wenig Aufregung. Anderes Land, andere Kultur, andere Religion, anderes Essen… aber es war warm – für mich immer die Hauptsache. Sobald es Sonne und Temperaturen von über 26 Grad gibt, bin ich direkt happy. Zudem wirken sich die warmen Temperaturen auch immer hervorragend auf meine Gesundheit aus. Am Flughafen angekommen, sollte mich dort jemand abholen. Wer wusste ich nicht. Top. Durch die Passkontrolle, am Gepäckband vorbei und in die Empfangshalle. Da waren zwar hunderte Menschen, aber niemand für mich. Auf keinem der ganzen Schilder war mein Name zu lesen. Aber ich fand einen 7/11, bekam eine Sim-Karte für mein Handy und ein Bier. Super! Setzte mich entspannt auf meinen Rucksack, wechselte die Sim-Karte und trank erstmal in Ruhe mein erstes Chang (das Bier der Elefanten, weil es mehr Alkohol hat, als normales Bier). Etwas Entspannung nach mehr als 30 Stunden Reise. Nach guten zwei weiteren Stunden und einem weiteren Chang kam dann auch der Chef des Shops um die Ecke. Er erkannte mich direkt und wir stiegen in einen uralten schwarzen 3-er BMW. Herrlich, Martin war Brite, in den 50-ern und Vater diverser Kinder in verschiedenen Ländern – wenn ich mich nicht irre sind e 7-8 Kinder von 5 Frauen. Die zwei jüngsten waren zu der Zeit 1 und 4. Beide von unterschiedlichen Müttern, aber keine davon war seine aktuelle Freundin. In dem Haus in das wir dann fuhren, lagen sowohl das Tattoo Studio, als auch die Schlafzimmer aller. Aller bedeutet hier, vom Chef, seiner derzeitigen Lebensgefährtin Jane, seinen zwei jüngsten Kindern und mehreren Tätowierern und ihrer Freunde, Bekannten und Drogendealer. Ich bekam das Zimmer unter dem Dach. Gegenüber der Dachterrasse, auf der dann Nachts die Jungs saßen, um was auch immer konsumieren. Ein Traum. Mich erwartete eine uralte Federkernmatratze, die ihre besten 20 Jahre sicher schon hinter sich hatte. Daneben guckte mich ein toter Gecko an. Geputzt worden war auch nicht, aber ok. Ich hatte ja einen Bettbezug für Notfälle – der war jetzt! Das Bad durfte ich mir mit den Jungs teilen. Diese hielten von putzen so wenig wie alle anderen (jeder der mich kennt, weiss, ich bin selbst eine kleine Chaosqueen…aber das erreichte selbst für mich ein neues Level von Ekel). In dem Bad gab es keinen Spiegel, da musste der Mini-Spiegel meiner Klappbürste für die Zeit einfach reichen. Bevor ich allerdings das Bad auch wirklich nutzen konnte, gab es zwei Dinge. Einmal hab ich geputzt ohne Ende…all die schwarzen Haare überall waren nicht so meins… und ich brauchte Klopapier. Richtig. In der heutigen Zeit von Corona kann mich da sicher jeder verstehen – ohne geht es nicht 🙂 Das hatte nur einen anderen Grund. In Thailand, so wie auch in den meisten anderen Teilen Asiens, gibt es Po-Duschen. Heißt man spritzt sich das da unten schön mit kaltem Wasser ab und gut. Bei dem größeren Geschäft hilft die Hand dann nach… außerhalb der Innenstadt funktioniert das dann mit Wasserfässern (hier Regenfässer) und einem Schüsselchen. Für uns hier eher nicht der Hit! Allerdings ist es so, dass die meisten Toiletten einfach keine großen Ableitungen haben und somit das Klopapier die Rohre verstopfen würde. Das ist so ziemlich überall außerhalb der EU, USA und Australien so. Dort stehen meist kleine Mülleimer für das Papier. Hier nicht. Also kaufte ich den gleich mit. Nur mal zum probieren oder später beim feiern ist das mit der Dusche für unten rum ja auch nur halb so wild. Das beste an meinem neuen Zuhause wisst ihr an dieser Stelle aber ja noch gar nicht… mein Zimmer hatte nicht einmal ein Schloss und es ließ sich zu keiner Zeit abschließen. Meine Wertsachen und ich sind völlig ohne Sicherheit in einem Junkiehaus – zauberhaft. Aber wie war das noch gleich? Immer erstmal vom Besten ausgehen und an das Gute im Menschen glauben.

Nach dem ersten Eindruck zu meinen wohnlichen Verhältnissen nun weiter zum eigentlich Grund meines spannenden Ausflugs. Dem Tätowieren. Meine Leidenschaft und Vorliebe für Farbe unter der Haut hatte sich bis dahin durchaus schon entwickelt. Aber meine Haut war eindeutig noch weniger bunt. Dafür die Haare etwas mehr 🙂 Ich konnte fast schon Pumuckl Konkurrenz machen.


Nach zwei Tagen eingewöhnen in Bangkok, ging es los mit dem tätowieren. Erst auf Bananenstämmen, dann auf Schweinehaut (und die stinkt erbärmlich nach ein paar Stundenbei über 30Grad) und erst dann kamen meine kleinen asiatischen Versuchskaninchen an die Reihe. Hier wäre es höchst illegal. Dort haben die Jungs aber irgendwelche Freunde und Bekannte gefragt, wer wen kennt… Ab 12 Jahren war da alles ok. Die Jungs wogen teilweise keine 50kg. Und ich wusste ja bereits, wie unangenehm ein Tattoo sein kann. Da ich tatsächlich Schiss davor hatte absolut zu versagen oder jemanden wirklich zu verunstalten, hat mich Gareth, ein anderer „Student“ in den 50ern gefragt ob ich nicht eines seiner uralten Tattoos vorab auffrischen möchte. Wie die guten Aussies ja so sind war er entspannt und unempfindlich ohne Ende. Ich stach ihm nur eine kleine Blüte nach, aber genau das beruhigte mich sehr. Es klappte. Ich tätowierte – ich war unwahrscheinlich glücklich!

Direkt als ich mit dem Tattoo bei Gareth fertig war, kam auch schon ein Freund von einem der Jungs an und wollte unbedingt mein erster „Kunde“ sein. Oha, wie sollte ich denn eine ruhige Hand behalten, wenn ich weiss er möchte direkt mal ein riesiges Tattoo? Dabei ist eine ruhige Hand mit Abstand das wichtigste. So werden die Linien so gerade es eben einem Menschen möglich ist. Zittern ist das wenig hilfreich! Alle dachten ich bin so weit, nur ich nicht wirklich. Mehr Schweinehaut wäre mir echt lieb gewesen. Sonst hab ich ja auch eine große Klappe und bin bei allem vorne dabei. Doch jemandem anderen Farbe unter die Haut zu stechen, obwohl ich weiss es ist unangenehm, ist eine echte Überwindung. Aber wofür bin ich nach Thailand geflogen? Genau dazu! Also los, Aie bekam als erstes Tattoo einen Leuchtturm auf den Oberschenkel. Nicht perfekt, aber selten 🙂


Eine Linie habe ich echt verkackt und ich regte mich tierisch über mich selbst auf. Witzigerweise konnten die Jungs im Shop mich und meine Reaktion nicht ansatzweise verstehen. Ich legte die Maschine weg und bin raus. Brauchte einen Moment für mich und zum runter kommen. Aber tadaaaa in good old T-hailand ist einfach alles anders. Die Jungs kamen mir nach und fragten warum ich so reagieren. Wir waren in den ersten Wochen angefangen uns Abends nach draußen zu setzen und über die Kulturen, die Religionen und das Verhalten zu sprechen. Auch eben und insbesondere über die Unterscheide. Einfach um einander besser verstehen zu können und um auch andere Menschen der anderen Kultur besser verstehen zu können. Diese Gespräche beruhten auf einer Menge Respekt dem jeweils anderen gegenüber und waren für mich sehr spannend. Nachdem ich nun in diesem Moment erklärt habe, warum ich mich aufrege und was mich ärgert, beruhigten mich die Jungs. Es wird alles gut. Natürlich wird das erste Tattoo nicht perfekt, aber nichts und niemand ist perfekt. Man kann es aber locker retten und es sieht nachher verhältnismäßig gut aus. Ich war gespannt und muss im Nachhinein sagen, aufgeben wäre wirklich dumm gewesen! Ich hatte so viel Freude am tätowieren.


Rund um die Tätowiererei gab es natürlich auch eine Menge zu erleben! Ich hatte jede Woche 1-2 freie Tage und somit jede Menge Zeit mir alles in und um Bangkok anzuschauen. Die Tempel, den Palast, die gesamte Stadt mit all ihren Ecken, Frans (ein schwuler Holländer der bereits nach Taiwan ausgewandert war) zeigte mir die Schwulenviertel Bangkoks. Wie anders diese Welt doch einfach sein kann! Die ganzen Eindrücke der 9 Mio. Einwohner Stadt (ohne Vororte) waren beindruckend und faszinierend. Bangkok und auch Thailand haben mich bis heute in Ihrem Bann! Die Klongs, also Flüsse, rund um die Stadt. Der Skygarden (einer meiner absoluten Lieblingsorte), das MBK (die größte Shoppingmall), die Khao San Road (die Backpacker Partymeile), so viele Straßenecken mit lauter kleinen Wagons und herrlichem Essen – was für eine Stadt! Vermutlich liebe ich Bangkok auch einfach wegen all der Momente und Erlebnisse.



Nach solchen Tagen kommt man dann wieder zurück in das crazy Haus. Eines Abends saß auch die Freundin vom Chef in meinem Bett bzw. auf meiner Matratze und rauchte sich gerade ihr crystal meth. Eine schicke selbstgebaute und improvisierte Pfeife hatte Sie mit Strohhalmen zum rauchen versehen. Sie fragte immerhin ganz höflich, ob ich auch was wollte. Nee danke, eher nicht. Auf die Frage warum Sie in meinem Zimmer sei kam nur die Aussage, da hätte Sie ihre Ruhe. Ja ok, warum nicht.

Der Chef gab seinem kleinen Sohn Abends auch schon mal ein Bierchen, damit dieser tiefer schlief und er Nachts nicht gestört wurde. Die Ältere Tochter war auch mit 5 noch lange nicht trocken. Beide bekamen nur sehr unregelmäßig zu Essen. Um die zwei Süßen kümmerte ich mich dann auch so nebenbei und über den Tag verteilt. Es war immer ein großes Chaos alles unter einen Hut zu bekommen. Frans und Gareth verstanden nie, warum ich mich überhaupt um fremde Kinder sorgte. Aber wie sollte ich das nicht? Die sind klein, jung und können nichts für diese Umstände in dem Laden.

Es war ein richtiges Abenteuer für mich. Es passierte so viel in so kurzer Zeit. Völlig unerwartet und aus dem Nichts passierte dann auch privat noch etwas. Ich verliebte mich in einen der Jungs. Für den Rest der Zeit lebten wir dann zusammen in meinem kleinen Zimmerchen. Es sei denn, er probierte sich selbst gerade mal wieder an irgend welchen Drogen. Aber ist es wirklich eine schöne Erfahrung jemanden am anderen Ende der Welt zu treffen, der ein so anderes Leben führt und es trotzdem möglich ist, bedingungslos zu lieben. Natürlich ist nicht alles Gold was glänzt und wenn er welches gehabt hätte, statt der 75 Euro Einkommen pro Monat, hätte er auch das für Drogen und Blödsinn ausgegeben. Ihm blieb nicht soooo viel was er für den Mist ausgeben konnte, wenn er auch noch Essen wollte. Was aber alle irgendwann raus hatten war, wenn kein Geld mehr zum Essen da ist, gebe ich mal was zu Essen aus. Nach einiger Zeit aber tatsächlich nur noch Reis ohne alles. Sonst wäre ich vermutlich als Wohlfahrt aller geendet. Es war wirklich eine super verrückte Zeit! In so kurzer Zeit wuchsen wir trotz aller Einflüsse dennoch echt zusammen und bis heute hält der Kontakt, zwar nur sporadisch, aber die Vertrautheit besteht nach wie vor. Er ist inzwischen Papa einer kleinen Tochter, geschieden und nach einer Weile auf Phuket zurück in dem Sumpf von Bangkok. Also falls ihr mal einen Einblick bekommen wollt, der Hangover Film aus Thailand ist sehr nah an der Realität. 😉


Ich könnte euch nun auch jede Menge zum Buddhismus, der Einstellungen im Leben, der Schulbildung, dem Einkommen und allem Möglichem erzählen, aber falls ihr dazu mal Fragen habt, meldet euch einfach.

Da ich mich kurzerhand entschieden habe, den ersten Thailand Beitrag (ja es wird noch mehr geben) nur über Bangkok zu schreiben, darf eine Person nicht fehlen! Nana. Nana schrieb mich nach meiner ersten Rückreise aus Thailand an und wollte mich unbedingt kennenlernen. Das taten wir dann auch ein Jahr später. Wir trafen uns auf der Khao San Road. Als ich anfing mich mit mir zu unterhalten stellte ich in Sekundenschnelle fest – Nana sprach kein Wort Englisch. Wir machten das Beste draus und kommunizierten über Google translator. Es klappte, mal auch nur mit Händen und Füßen, aber wir kamen klar. Nana war zu der Zeit gerade 15 und ich ihr erster Nicht-Thai Kontakt. Sie hat sich soooo gefreut und wir hatten einen echt lustigen Abend! Sie nagelte mich auch auf ein Wiedersehen fest, ich sie darauf, dass Sie Englisch lernt. Inzwischen hat Sie die Uni beendet und spricht fließend Englisch. Sie ist die einzige Thai, die Thailand zum Reisen (alleine, machen Thais normalerweise NIE) verlassen hat. Selbst ein Auslandssemester in Indien war drin. Wir sehen uns in Thailand so oft und so lange es geht. Können auch jetzt unser nächstes Wiedersehen kaum erwarten, wie das mit besten Freunden so ist.




Ich brauchte dennoch auch immer mal wieder Auszeiten und habe mir auf diversen weiteren Thailandreisen das Land angeschaut. Die nächsten Beiträge gibt es dann über den Norden und den Süden Thailands mit genauso vielen Bildern. Weiteren Freunden und toller Landschaft (die fehlt in BKK natürlich).









